Literature/Sources:
»We have seen the house gradually spew out its people, its pictures, its furniture.«
Judenhäuser in Dresden zwischen 1939 und 1945
Brühlscher Garten
(13.745431918339811, 51.05213999052642)Angela Stuhrberg, Jadwiga Stummann
Autor*innenkollektiv audioscript: »Wir haben mit angesehen, wie das Haus allmählich seine Menschen, seine Bilder, seine Möbel ausspie.« »Judenhäuser« in Dresden zwischen 1939 und 1945, in: audioscript zur Verfolgung und Vernichtung der Jüdinnen und Juden in Dresden 1933-1945. Ein Stadtrundgang in 13 Tracks, Track 3. Online unter: https://audioscript.net/tracks/judenhaeuser-in-dresden
Script
Sprecher*in 1: Altenzeller Straße 32, Altenzeller Straße 41, Bautzner Straße 20, Canalettostraße 5, Caspar-David-Friedrich-Straße 15b, Chemnitzer Straße 27, Cranachstraße 6, Fiedlerstraße 3, Franz-Liszt-Straße 6, Fürstenstraße 2, Güntzstraße 24, Hähnelstraße 1, Henzestraße 15, Kaiserstraße 1, Kurfürstenstraße 11, Kyffhäuserstraße 15, Lindengasse 9, Lothringer Weg 2, Maxstraße 1, Pirnaische Straße 23, Röhrhofsgasse 16, Schulgutstraße 15, Schweizer Straße 2, Semperstraße 4, Sporergasse 2, Steinstraße 2, Strehlener Straße 52, Wasastraße 7, Wiener Straße 85, Zeughausstraße 1, Zeughausstraße 3, Ziegelstraße 41
Sprecher*in 2:
Sonnabend, 09.12.39
»Ich war am Montag im jüdischen Gemeindehaus, Zeughausstraße 3, neben der abgebrannten und abgetragenen Synagoge, um meine Steuer und Winterhilfe zu zahlen. […] Dann wollte mich der anwesende Parteibeamte sprechen: ›Wir hätten Sie sowieso dieser Tage benachrichtigt, bis zum 1. April müssen Sie Ihr Haus verlassen; Sie können es verkaufen, vermieten, leerstehen lassen: Ihre Sache, nur müssen Sie heraus; es steht Ihnen ein Zimmer zu. Da Ihre Frau arisch ist, wird man Ihnen nach Möglichkeit zwei Zimmer zuweisen.‹«
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1939, 9. Dezember, Sonnabend, in: Victor Klemperer: Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933-1945, Berlin 1999
29. April 1940
»Abscheulichkeit der Wohnungsaffaire. Estreicher, soweit ganz höflich, zeigte uns am Sonnabend zwei Zimmer in einer Villa der Caspar-David-Friedrich-Straße […]. Sehr hübsch, aber auch naturgemäß mit großen Nachteilen. Am Montag in seinem Bureau sollte ich mit der Mitmieterin, einer Frau Voß, zusammenkommen, und dann sollte weiter besprochen werden. Die Zimmer sah ich mit Eva zusammen […]. Es verstand sich von selbst, daß am Montag noch verschiedene Fragen mit der Frau Voß etc. zu regeln waren; auch hatten wir noch nichts anderes gesehen als eben diese Zimmer. Bei meiner ersten Frage wurde Estreicher im höchsten Grade anmaßend, ich sei undankbar, ich müßte ihm um den Hals fallen, ich hätte mich sofort zu entscheiden etc. etc. Dabei verfiel er ins Schreien und drohte mit seiner Allmacht, mir ein unmögliches Einzelzimmer zuzuweisen. Mich packte die Wut, ich sprang auf, hieb die Faust auf den Schreibtisch und brüllte ihn an, er hätte sich anständig zu benehmen. Es war eine greuliche Szene, ich zahlte sie mit einem richtigen Herzanfall und bin noch heute zerschlagen. Nach langem gegenseitigem Toben habe ich die Zimmer angenommen, um zwölf will Frau Voß herkommen zur weiteren gegenseitigen Besprechung.«
2
1940, 29. April, in: Victor Klemperer: Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933-1945, Berlin 1999
Sprecher*in 1: Mitteilung der Zeitschrift »Grund- und Hauseigentum Sachsen. Größte Hausbesitzerzeitung Deutschlands« von 1940, Nr. 2: »Reinliche Scheidung zwischen Juden und Ariern in Dresden bis spätestens den 1. April 1940 durchgeführt. Es widerspricht den nationalsozialistischen Bestrebungen auf Bildung und Förderung echter Hausgemeinschaften, wenn im gleichen Hause deutsche Volksgenossen und Juden wohnen. Zwischen ihnen kann eine Hausgemeinschaft nicht bestehen. Es ist deshalb unerläßlich, einer fortschreitenden Ausscheidung der Juden aus deutschen Wohnstätten, soweit sie sich nicht freiwillig vollzieht, die Wege zu ebnen und gleichzeitig den deutschen Volksgenossen, die jetzt in jüdischen Häusern wohnen müssen, Aussichten auf einen Wohnungswechsel zu eröffnen.« 3 Reinliche Scheidung zwischen Juden und Ariern in Dresden, in: Grund- und Hauseigentum Sachsen. Größte Hausbesitzerzeitung Deutschlands, 53 (1940), Nr. 2, S. 11, Abdruck in: Norbert Haase, Stefi Jersch-Wenzel, Hermann Simon (Hg.): Die Erinnerung hat ein Gesicht. Fotografien und Dokumente der nationalsozialistischen Judenverfolgung in Dresden 1933 – 1945, Leipzig 1998, S. 163
Sprecher*in 2: »Bald darauf mußten wir unsere Wohnung verlassen, wir wurden ins ›Judenhaus‹ Wiener Straße 85, in das Haus der Frau Hirschel, ins Kellergeschoß eingewiesen. Die Beschränkungen nahmen zu. Im Sommer mußten wir um acht im Haus sein, im Winter um sieben. Im Winter ging ich noch bei Dunkelheit zum nahen Bahnhof Strehlen und fuhr mit dem Zug in die Sächsische Schweiz. Ich kam bei Dunkelheit zurück, rannte nach Hause und lag um 7 Uhr, wenn die Polizei kontrollierte, schon im Bett. Später mußten wir aus der Wiener in die Zeughausstraße 1 ziehen.
Immer häufiger gab es Hauskontrollen durch die Gestapo. Gewöhnlich mußten alle jüdischen Hausbewohner auf dem Flur antreten, wurden beschimpft, geschlagen, getreten, bestohlen. Mir selbst wurde einmal ein Topf mit kochendem Spinat über den Kopf gestülpt.«
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Ilse Frischmann, Dresden, in: Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Dresden e. V. (Hg.): Juden in Sachsen. Ihr Leben und Leiden, Leipzig 1994, S. 96
»Einige Nazis waren stadtbekannt: Der Weser, das war der ›Spucker‹ und der Clemens der ›Schläger‹.« 5 Henny Brenner in: Michael Brenner: Am Beispiel Weiden. Jüdischer Alltag im Nationalsozialismus, Würzburg 1983, S. 105
»Die jüdische Bevölkerung schrumpfte immer mehr. Die wenigen ›Volljuden‹, die noch in Dresden lebten, wurden in Judenhäusern gesammelt. Auch eine Tante von mir lebte dort. Es spielten sich darin immer schreckliche Szenen ab. Sonntag früh, als die Leute, die die ganze Woche schwer arbeiteten, ihre Ruhe haben wollten, kamen die SS-Männer. Sie ließen ihre Finger auf den Klingelknöpfen, drangen in die Wohnung ein und führten sich dort auf wie die Vandalen. Der ›Spucker‹ spuckte in den Topf, in dem das wenige Essen kochte; die anderen schlitzten die Federbetten auf, stopften die Juden mit Brot voll, das sie herunterschlingen mußten, ließen jüdische Männer Gebete aufsagen und tanzen, und sie selbst amüsierten sich dabei. Sie nahmen auch immer Juden mit, die dann nie mehr gesehen wurden. Ich mußte mit ansehen, wie eine feine ältere Dame mit weißem Haar sich auf die Treppe stellen mußte und ein Faß Tinte auf ihr weißes Haar geschüttet wurde. So etwas wiederholte sich jeden Sonntag in den Judenhäusern.« 6 Henny Brenner in: Michael Brenner: Am Beispiel Weiden. Jüdischer Alltag im Nationalsozialismus, Würzburg 1983, S. 106
Sprecher*in 1: »Um Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu vermeiden, müssen alle Juden auf Grund des Gesetzes bis zum 31. März 1940 ihre noch innehabenden Wohnungen räumen und sich ein Unterkommen in den hier in Dresden bestehenden nachverzeichneten 32 Judenhäusern durch die Wohnungsvermittlung der jüdischen Gemeinde zuweisen lassen:« 7 Reinliche Scheidung zwischen Juden und Ariern in Dresden, in: Grund- und Hauseigentum Sachsen. Größte Hausbesitzerzeitung Deutschlands, 53 (1940), Nr. 2, S. 11, Abdruck in: Norbert Haase, Stefi Jersch-Wenzel, Hermann Simon (Hg.): Die Erinnerung hat ein Gesicht. Fotografien und Dokumente der nationalsozialistischen Judenverfolgung in Dresden 1933 – 1945, Leipzig 1998, S. 163
Sprecher*in 2:
8. Februar 1942, Sonntag
»Seit gestern besonders deprimiert. Eva erschöpft vom Vormittagsweg in Frost, Schnee und Glätte; so war ich allein bei Neumanns. Die ganze Zeit wurde von der namenlosen Haussuchung bei ihnen (wie bei andern) gesprochen. ›Rollkommando‹ von acht Mann. ›Da setzt euch auf die Bundeslade‹ (eine Truhe), gemeinste Beschimpfungen, Stöße, Schläge, Frau Neumann erhielt fünf Ohrfeigen. Alles durchwühlt, wahlloser Raub: Lichte, Seife, eine Heizsonne, ein Koffer, Bücher, ein halbes Pfund Margarine (legitim auf Marken gekauft), Schreibpapier, alle Art Tabak, Schirm, die Militärorden (›Du kannst sie ja doch nicht mehr brauchen‹). – ›Wo läßt du waschen?‹ – ›Zu Haus.‹ – ›Daß du dich nicht unterstehst, deine Wäsche außerhalb waschen zu lassen!‹ – ›Warum werdet ihr alle so alt? – Hängt euch doch auf, macht doch den Gashahn auf.‹ Leider auch Briefe, Adressen, Schriftstücke überhaupt mitgenommen. – Zum Schluß unterschreibt man, alles freiwillig dem Deutschen Roten Kreuz zur Verfügung gestellt zu haben.«
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1942, 8. Februar, Sonntag, in: Victor Klemperer: Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933-1945, Berlin 1999
28. April, Dienstag, 1942
»Es hat sich nun schon zur festen Norm herangebildet: am Tage nach einer Haussuchung: Selbstmorde.
Gleichzeitig mit der Hitlerrede erfuhren wir den neuen Fall. Ein Ehepaar Feuerstein in der Altenzeller Straße war ausgeplündert, dann auf die Gestapo bestellt und dort geprügelt und mit Füßen getreten worden; in der Nacht fand man die Leute tot in ihrer vergasten Küche. – Von Tag zu Tag warte ich auf die Haussuchung bei uns. Am stärksten ist die Beklemmung immer abends zwischen sieben und neun. Wohl zu Unrecht, denn die Rollkommandos sollen zu jeder Tageszeit erscheinen. Sie sollen alles rauben: auch Essen, das auf Marken gekauft, Schreibpapier, Portomarken, Ledermappen. Sie sollen die Magermilch austrinken usw.«
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1942, 28. April, Dienstag, in: Victor Klemperer: Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933-1945, Berlin 1999
Sprecher*in 1: »Bei der Schaffung von Judenhäusern ist dem Gesetz Rechnung getragen, Ghettobildungen sind vermieden worden. Auf Anweisung wird die Umsiedlung der Juden durch die Wohnungsvermittlung der jüdischen Gemeinde, Zeughausstraße 3, durchgeführt. Um aber den in Judenhäusern wohnenden deutschen Volksgenossen die Möglichkeit zu geben, ein entsprechend würdiges, anderes Unterkommen zu finden, ist die Wohnungsstelle des Stadtwohlfahrtsamtes in Verbindung mit dem Beauftragten des Kreisleiters bemüht, diesen Volksgenossen zu helfen. Hierzu stehen in erster Linie diejenigen Wohnungen zur Verfügung, welche von Juden geräumt werden, um in ein Judenhaus zu ziehen.« 10 Reinliche Scheidung zwischen Juden und Ariern in Dresden, in: Grund- und Hauseigentum Sachsen. Größte Hausbesitzerzeitung Deutschlands, 53 (1940), Nr. 2, S. 11, Abdruck in: Norbert Haase, Stefi Jersch-Wenzel, Hermann Simon (Hg.): Die Erinnerung hat ein Gesicht. Fotografien und Dokumente der nationalsozialistischen Judenverfolgung in Dresden 1933 – 1945, Leipzig 1998, S. 163
Sprecher*in 2:
Sonnabend Nachmittag, 23. Mai 1942
»[…], nachmittags die längst erwartete Haussuchung. […], um halb acht kam ich zurück: Das Rollkommando war hier um fünf erschienen und kurz vor meiner Rückkehr abgezogen. Ich sah zuerst durch die offene Entreetür das Chaos im Parterre. Friedheim zeigte mir die von Schlägen blutig unterlaufene Hals- und Kinnseite, er klagte über einen Fußtritt in den Leib gegen eine Bruchnarbe. Frau Kreidl und Frau Pick waren auch geschlagen worden. Bei uns fand ich Eva in voller Fassung: Es sei alles programmgemäß verlaufen. ›Du bist arisch? – Du Judenhure, warum hast du den Juden geheiratet? Im Talmud steht: Jede nichtjüdische Frau ist für uns eine Hure …‹ Sie wurde heruntergeschickt. Sie erhielt unten ein paar Ohrfeigen – ›mehr Bühnenohrfeigen als ernste‹, sagte sie, während Ida Kreidl ihrerseits über Ohrensausen klagte. Aber Eva wurde mehrfach ins Gesicht und auf den Kopf gespuckt. In unserer Wohnung […] fand ich genau das Chaos, die viehische Verwüstung durch grausame und besoffene Affen, die ich schon oft habe beschreiben hören und die in ihrer Realität doch ungeheuerlich wirkte. Auch jetzt noch sitzen wir in diesem kaum gelichteten Chaos. Inhalt der Schränke, Kommoden, Regale, des Schreibtischs auf dem Boden. Zerrissene Spielkarten, Puder, Zuckerstücke, einzelne Medikamente, Inhalt von Nähkästen dazwischengestreut und eingetreten: Nadeln, Knöpfe, Scherben zerschlagenen Weihnachtsschmucks, Pastillen, Tabletten, Zigarettenhülsen, Evas Kleidung, saubere Wäsche, Hüte, Papierfetzen – inextrikabel. Im Schlafzimmer der Gang zwischen Betten und Schränken, die Betten selber übersät. Was gestohlen, was vernichtet, was willkürlich versteckt, was übersehen, ist nicht recht festzustellen.
[…]
Unten fanden die Leute gestern u. a. eine Schüssel Spinat; der Inhalt wurden den Damen ins Gesicht und über das Kleid geschmiert, auch wurde die Tür des Badezimmers damit bestrichen. Bei uns stank alles nach Knoblauch: Ein paar Knollen, die auf dem Balkon gelegen, waren zerkleinert auf die verschiedenen Zimmer verteilt worden und nicht gleich zu entdecken. – Frau Voß vermißt außer allen Eßwaren und einem Paar Stiefel zwei Rollen Klosettpapier und ein Heizkissen. Wir selber scheinen am wenigsten bestohlen.«
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1942, 23. Mai, Sonnabend nachmittag, in: Victor Klemperer: Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933-1945, Berlin 1999
Sprecher*in 1: »Es stehen fast sämtliche Wohnungen zur Vermietung zur Verfügung, welche von Juden bewohnt werden oder frei sind. Wo die ehemals von Juden genutzten Wohnungen abgewohnt sind, wird vom Vermieter deren Instandsetzung erwartet. Ebenso wird erwartet, daß alle freiwerdenden Judenwohnungen dem Stadtwohlfahrtsamt, Wohnungsstelle, auf dem dafür vorgesehenen Vordrucken angezeigt werden. Es ist selbstverständlich, daß die Vermieter die Umsiedlung nicht durch eigenmächtiges Weitervermieten freigewordener Judenwohnungen erschweren. Große Stadtteile Dresdens, unter ihnen in erster Linie der Weiße Hirsch, sind bereits vollständig judenfrei geworden.« 12 Reinliche Scheidung zwischen Juden und Ariern in Dresden, in: Grund- und Hauseigentum Sachsen. Größte Hausbesitzerzeitung Deutschlands, 53 (1940), Nr. 2, S. 11, Abdruck in: Norbert Haase, Stefi Jersch-Wenzel, Hermann Simon (Hg.): Die Erinnerung hat ein Gesicht. Fotografien und Dokumente der nationalsozialistischen Judenverfolgung in Dresden 1933 – 1945, Leipzig 1998, S. 163
Sprecher*in 2:
Donnerstag Mittag, 20.08.42
»Frau Pick hat zum zweitenmal, und diesmal mit Erfolg, Selbstmord verübt. Veronal. Angst vor Gestapomißhandlung beim Abtransport, vielleicht auch Angst vor dem unbekannten Theresienstadt. […] Wieder kam Ida Kreidl morgens herauf. Eva ging als erste hinunter, um sieben Uhr, und sagte mir dann, diesmal sei es ernster, sie röchle stark. Eine Viertelstunde später war ich unten, da war schon kein Laut mehr, Mund offen, ein Auge offen, offenbar Tod. Wieder telefonierte ich vom Gärtner Mickley aus, dem ich das ganze Elend erzählte. Ich sagte zu Katz, Frau Pick sei offenbar tot; […] Als er später kam, war schon Leichenstarre eingetreten. – Wieder konstatiere ich bei mir völlige Herzenskälte und Stumpfheit. Mein erster Gedanke: Wir werden Kartoffeln erben. […]
Für jeden Transport sind Ersatzleute von vornherein mitbestimmt: Die Gestapo nimmt als sicher an, daß etliche Selbstmorde vorfallen. Deutsche Organisation. –
[…]
Mit vollkommener Ruhe muß Frau Pick den Selbstmord verübt haben. Ein Abschiedsschreiben auf ihrem Tisch ist mit ruhigster Schrift – ganz anders als meine Zittrigkeit – und stilistisch gefeilt abgefaßt: ›Ich danke, allen, die mir die zweieinhalb Jahre in Strehlen (sie meint Haus Hirschel, uns hier und die Marckwalds) durch ihre Herzenshöflichkeit verschönt haben.‹«
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1942, 20. August, Donnerstag mittag, in: Victor Klemperer: Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933-1945, Berlin 1999
Sprecher*in 1: Die Konzentration der Jüdinnen und Juden in wenigen Häusern vereinfachte nicht nur den Zugriff auf die Menschen zum Zwecke der Überwachung und Schikanierung, sondern auch den Zugriff auf sie bei der späteren Deportation.
Seit dem Beginn der Deportationen im Januar 1942 waren die meisten der sogenannten Judenhäuser nach und nach geleert und die freigewordenen Wohnungen der nichtjüdischen Bevölkerung zur Verfügung gestellt worden.
Im Jahr 1945 waren die Jüdinnen und Juden nahezu komplett aus Dresden in die Vernichtungslager und Ghettos in Osteuropa deportiert worden. Für die Unterbringung der letzten, in einer sogenannten »Mischehe« lebenden, jüdischen Einwohner Dresdens blieben acht der ehemals 32 Häuser übrig:
Schulgutstraße 15, Sporergasse 2, Strehlener Straße 52, Zeughausstraße 1 und 3, Fiedlerstraße 3, Bautzner Straße 20 und Kyffhäuserstraße 15.
Sprecher*in 2:
Sonnabend Vormittag, 8. Juli 1944
»Wie viele Rundschreiben Ver- und Gebote gab es früher! Jetzt nur noch ganz selten – es ist ja schon alles verboten, und es gibt ja kaum noch Juden hier.«
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1944, 8. Juli, Sonnabend vormittag, in: Victor Klemperer: Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933-1945, Berlin 1999
* 1943, 27. Februar, Sonnabend nachmittag, in: Victor Klemperer: Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933–1945, Berlin 1999
- 1 1939, 9. Dezember, Sonnabend, in: Victor Klemperer: Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933-1945, Berlin 1999
- 2 1940, 29. April, in: Victor Klemperer: Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933-1945, Berlin 1999
- 3 Reinliche Scheidung zwischen Juden und Ariern in Dresden, in: Grund- und Hauseigentum Sachsen. Größte Hausbesitzerzeitung Deutschlands, 53 (1940), Nr. 2, S. 11, Abdruck in: Norbert Haase, Stefi Jersch-Wenzel, Hermann Simon (Hg.): Die Erinnerung hat ein Gesicht. Fotografien und Dokumente der nationalsozialistischen Judenverfolgung in Dresden 1933 – 1945, Leipzig 1998, S. 163
- 4 Ilse Frischmann, Dresden, in: Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Dresden e. V. (Hg.): Juden in Sachsen. Ihr Leben und Leiden, Leipzig 1994, S. 96
- 5 Henny Brenner in: Michael Brenner: Am Beispiel Weiden. Jüdischer Alltag im Nationalsozialismus, Würzburg 1983, S. 105
- 6 Henny Brenner in: Michael Brenner: Am Beispiel Weiden. Jüdischer Alltag im Nationalsozialismus, Würzburg 1983, S. 106
- 7 Reinliche Scheidung zwischen Juden und Ariern in Dresden, in: Grund- und Hauseigentum Sachsen. Größte Hausbesitzerzeitung Deutschlands, 53 (1940), Nr. 2, S. 11, Abdruck in: Norbert Haase, Stefi Jersch-Wenzel, Hermann Simon (Hg.): Die Erinnerung hat ein Gesicht. Fotografien und Dokumente der nationalsozialistischen Judenverfolgung in Dresden 1933 – 1945, Leipzig 1998, S. 163
- 8 1942, 8. Februar, Sonntag, in: Victor Klemperer: Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933-1945, Berlin 1999
- 9 1942, 28. April, Dienstag, in: Victor Klemperer: Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933-1945, Berlin 1999
- 10 Reinliche Scheidung zwischen Juden und Ariern in Dresden, in: Grund- und Hauseigentum Sachsen. Größte Hausbesitzerzeitung Deutschlands, 53 (1940), Nr. 2, S. 11, Abdruck in: Norbert Haase, Stefi Jersch-Wenzel, Hermann Simon (Hg.): Die Erinnerung hat ein Gesicht. Fotografien und Dokumente der nationalsozialistischen Judenverfolgung in Dresden 1933 – 1945, Leipzig 1998, S. 163
- 11 1942, 23. Mai, Sonnabend nachmittag, in: Victor Klemperer: Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933-1945, Berlin 1999
- 12 Reinliche Scheidung zwischen Juden und Ariern in Dresden, in: Grund- und Hauseigentum Sachsen. Größte Hausbesitzerzeitung Deutschlands, 53 (1940), Nr. 2, S. 11, Abdruck in: Norbert Haase, Stefi Jersch-Wenzel, Hermann Simon (Hg.): Die Erinnerung hat ein Gesicht. Fotografien und Dokumente der nationalsozialistischen Judenverfolgung in Dresden 1933 – 1945, Leipzig 1998, S. 163
- 13 1942, 20. August, Donnerstag mittag, in: Victor Klemperer: Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933-1945, Berlin 1999
- 14 1944, 8. Juli, Sonnabend vormittag, in: Victor Klemperer: Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933-1945, Berlin 1999